Die Gründung Offenbachs
Im Reichsbannforst Dreieich soll gejagt werden. Karl der Große, ist in einfachem Wams, auf geschmücktem Ross, umgeben von stattlichem Gefolge von seiner Pfalz zu Frankfurt nach dem Hain geeilt.
Des heiligen römischen Reiches Hundestall wird das befestigte Jagdhaus genannt, vor dessen Tor er hält. Es öffnet sich, und heraus stürmen die mutigen Rüden. Schnell ordnet sich der Zug; dahin geht es unter dem Klange der Hörner, den Rufen der Reiter, dem Gebell der Hunde, dem Wiehern der Rosse.
Ein weißzahniger Keiler ist bald entdeckt. Die Bluthunde haben ihn mit scharfer Nase aufgespürt und lassen von der flüchtigen Beute nicht ab. Hart hinter ihnen die Jäger, allen voran der Kaiser. Plötzlich wendet sich der Eber ungestüm gegen seine Verfolger. Schon hat er einige Hunde zur Seite geschleudert. Da reitet der Kaiser rasch heran und durchbohrt das wütende Wildschwein mit seinem Jagdspieß. Diener bringen das verletzte Tier zum verabredeten Sammelplatz, und weiter geht`s zu neuer Beute.
Die Sonne steht hoch am Himmel, als der Sammelruf ertönt. Zurückkehren die Jäger zum frischen Waldbache, wo in kühlem Schatten ein fröhliches Mahl bereitet wird. Trefflich munden Speise und Trank.
Unerwartet jagt mit gewaltigen Sprüngen ein starker Hirsch vorüber. In Nu sitzt der Kaiser wieder zu Ross. Über Stock und Stein, durch Hecken und Gestrüpp sprengt er hinter dem Hirsch her in wilder Hatz. Schließlich setzt das geängstigte Tier weit ausgreifend über umgesunkene Eichenstämme und verschwindet in dichtem Waldesdunkel, vordem sich das Ross des Kaisers aufbäumt.
Weitab ist das Jagdschloss. Niemand hat dem tollkühnen Reiter folgen können.
Kein Ausweg aus der Wildnis läßt sich erkennen. Der Kaiser hofft, nicht allzu fern von einer menschlichen Niederlassung zu sein, wie er auch ehemals, auf der Jagd verirrt, an das Häuschen von Einhard und Imma kam. Er ruft und stößt in sein Horn.
Aber niemand antwortet. Nur das Echo dringt zaghaft zurück.
Auf einmal tritt ein schwarzer Waldmensch aus dem Dickicht, ein berußter Köhler, der in der Einsamkeit seinen Meiler aufgerichtet hat. Er ist dem Klang des Jagdhorns nachgegangen und fährt den Reiter barsch an: „Was schaffst du hier in diesem Walde, in dem nur der Kaiser das Recht hat zu jagen?". Da eröffnet ihm Karl, dass er selbst der Kaiser sei. Der Schwarze jedoch schüttelt ungläubig den Kopf und meint: „Ein edles Jagdroß hast du wohl. Aber der Kaiser geht in prächtiger Kleidung und nicht im grauen Wams wie du. Den richtigen Weg will ich dir trotzdem zeigen“.
Lächelnd folgt der Kaiser dem Köhler, der ihn bald an den hell schimmernden Main bringt. Dort spricht Karl zu dem hilfreichen Führer: „Deine Dienste sollen nicht unbelohnt bleiben. Ich schenke dir ein großes Stück Land und will, dass du zum ewigen Andenken hier außerhalb des Waldes am offenen Bach und am Ufer des Stromes eine Stadt erbaust. Auch werde ich dich in den Adelsstand erheben und dir ein Wappen geben.
„Du bist ein rasch entschlossener Mann, dein Wunsch sei erfüllt“, erwidert der Kaiser und reitet frohgemut zurück nach Frankfurt. Der neu Geadelte ist der Ahnherr des Geschlechtes des Grafen und Fürsten zu Isenburg, deren Schloß in Offenbach steht ( aus Heimatbuch, Für Stadt und Kreis Offenbach, Verlag Moritz Diesterweg, 1956).